Revision, Teil 1
Es ist jetzt der 7.Tag nach meiner zweiten Therapieeinheit mit Antikörpern und Chemotherapie. Es geht mir nicht gut, weder physisch noch psychisch. Tausend Gedanken schwirren in meinem Kopf herum, die Reflexion meiner Krebserkrankung....wann fing alles an, die Beschwerden, ohne das ich wusste, das etwas in meinem Körper wächst ? Krebs als Symptom, aber gibt es eine Ursache ? Medizinisch rational erklärt mit einer abnormalen krankhaften Zellteilung, aber psychisch ?
Körperlich geht es mir hoffentlich ab heute besser. Eine Begleiterscheinung dieser ganzen Therapie ist, das mein sonst erhöhter Blutdruck abfällt, plötzlich und unerwartet. Seit drei Tagen nehme ich keine Blutdrucktabletten, das habe ich mit der Ärztin abgesprochen. Jetzt steigt der Blutdruck anscheinend wieder. Auch können meine Blutdrucktabletten wohl ein rascheres Absinken der Leukos hervorrufen, morgen muss ich zum Blutbild. Eine weitere und sehr unangenehme Erscheinung, die zwischen den Therapieeinheiten nicht vollständig verschwunden ist, ist die sehr trockene Mundschleimhaut und Sodbrennen. Ich könnte eine eigene Brennerei aufmachen ! Auch habe ich im Bauchraum wieder vermehrt Schmerzen, dieses Gift der Chemo arbeitet in mir. Essen kann ich mal mehr mal weniger, ich habe überhaupt keinen Appetit auf alles Süße. Ich weiß, bei Krebs sollte man sowieso auf Süßes verzichten, und auf Alkohol, den ich sowieso nicht mehr trinke, auch in die Sonne gehen darf ich nicht.
Und diese absolute Schwäche... immer wieder hinlegen zwischendurch, heute war ich tatsächlich den Müll herunter bringen. Zu Fuß ein paar Kleinigkeiten einkaufen traue ich mich immer noch nicht.
Wann fingen bei mir körperliche Beschwerden an, ohne zu wissen, das etwas im Körper wächst? Kann die Vergangenheit zumindest teilweise ursächlich für den Krebs sein ? Aber muss ich jetzt die Vergangenheit aufarbeiten ? Ich glaube, der Mensch ist schon so gestrickt, die unguten Erfahrungen der Vergangenheit in die hinterste Ecke der Seele zu packen. Wir vergessen.. auch ich, manche Dinge sind immer noch präsent, auch nach sehr vielen Jahren, aber ich denke zwangsläufig nicht ständig daran. Das alles hervorzukramen wäre umständliches psychologisches Gewühle !
Aber nun zurück zur jüngeren Vergangenheit, was ist passiert ? Ich glaube, bei mir fingen alle körperlichen Beschwerden nach der Corona-Epidemie an. Ich bin viermal geimpft, nach dreimaliger Impfung bin ich an Covid erkrankt, habe diese Erkrankung nie wirklich auskuriert. Parallel dazu ist mein Vater schwer an Alzheimer erkrankt. Eine böse Krankheit, mein Vater hat eine sehr aggressive Form gehabt. Er war nicht mehr er selber, er wusste gar nicht mehr wer er war. Die Hilflosigkeit, ihm nicht helfen zu können, noch nicht einmal die Ärzte konnten ihm ja helfen geschweige denn die Krankheit zum Stillstand bringen. Mein Vater ist im September 2023 verstorben. Dieselbe Hilflosigkeit fühlte ich damals bei meiner Mutter, die jetzt 20 Jahre tot ist. Ich konnte meinen Eltern nicht helfen.
Danach gingen wohl meine Beschwerden los. Schmerzen im Bauch, ein Gefühl der Ohnmacht, Schwäche, Müdigkeit, die Angst, meinen Alltag nicht mehr bewältigen zu können. Morgens nicht wissen, wie man den Tag überstehen soll ! Diese Befürchtungen hatte ich früher nicht. Das Gefühl, das Leben läuft im Galopp an dir vorbei und du kannst dir noch nicht einmal einen Teil deiner Träume erfüllen. Ein Beruf, der einen fordert, auch wenn ich nicht mehr Vollzeit gearbeitet habe. Kann es sein, das man vieles in sich hinein frisst, und bei einer eventuellen Disposition eine Krankheit ausbricht ? Krebs hatte allerdings keiner in meiner Familie. Es ist nicht so, das ich nicht zum Arzt gegangen wäre, aber es wurde ja nichts gefunden, außer ein Eisenmangel.
Krebs als Chance ? Die Wunden der Vergangenheit heilen zu lassen, die Selbsterkenntnis, langsam zu leben, Ruhe und Zeit für mich zu haben. Die größte Erkenntnis, das mein Leben nicht unendlich ist. Wenn ich gesund werde, habe ich vielleicht noch 20 gute Jahre. Das muss ich erstmal verarbeiten !
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